Die Kartoffel in der industriellen Verwertung

Stärke:
12. Was sind modifizierte Stärken?

Der größere Teil der Kartoffelstärkeproduktion dient nicht der menschlichen Ernährung, sondern ist Rohstoff für zahlreiche technische Erzeugnisse (s. Fragen 13 ff). Durch chemisch-physikalische Veränderung (Modifizierung) wird die Stärke optimal an ihren Verwendungszweck angepasst.

Quellstärken sind die wichtigsten modifizierten Stärken. Durch Erhitzen nativer Kartoffelstärke in Wasser über die Verkleisterungstemperatur von 62,3 °C hinaus und anschließender Rücktrocknung erhält man eine "vorverkleisterte" Stärke, die schon in kaltem Wasser geliert und so dem Anwender das Verkochen nativer Stärke erspart.

Dünnkochende Stärken sind geringfügig mit Säuren oder Enzymen abgebaute Stärken. Ihre Verkleisterungstemperatur ist gegenüber der nativen Stärke erhöht, die Viskosität (Zähigkeit) des Kleisters geringer gegenüber der Ausgangsstärke. Dadurch kann sie in technischen Prozessen auch noch bei Temperaturen über 65 °C in Poren, Zwischenräume und Kapillaren eindringen.

Dextrine zählen zu den ältesten modifizierten Stärken. Industrielle Bedeutung haben nur die nach trockener Erhitzung entstehenden "Röstdextrine". Es sind dies Mischungen aus Glucose (Traubenzucker), Maltose (Malzzucker) und höheren Sacchariden, die mit Wasser einen stark klebenden Sirup (Leim) ergeben.

Cyclodextrine entstehen aus Kartoffelstärke durch enzymatischen Abbau. Es sind ringförmige Glucosepolymere aus 6 bis 12 Glucosemolekülen. Sie dienen der Stabilisierung von Arzneimitteln und Geschmacksstoffen. Sie werden im Darm nicht resorbiert.

Stärkeester sind Umsetzungsprodukte von Stärke mit Säuren. Sie sind gute Stabilisatoren und Emulgatoren. Sie werden daher bevorzugt in der Produktion von tiefgekühlten Fertig- und Dosengerichten eingesetzt. Stärkephosphate (Ester der Stärke mit Phosphorsäure) sind in der Lebensmittelindustrie sehr vielfältig eingesetzte Dickungs- und Stabilisierungsmittel (s. Frage 13).

Allylstärke ist eine Verbindung zwischen Kartoffelstärke und Allylalkohol. Sie dient als Bindemittel zur Erzeugung von Wellpappe. Es gibt zahlreiche weitere Stärkeäther, d.h., Verbindungen zwischen Stärke und verschiedenen Alkoholen, die aber bislang keine besondere Bedeutung erlangt haben.

Kationische Stärken sind stickstoffhaltigen Stärkeäther mit positiv geladenen (kationischen) Gruppen. Sie werden in der Papier- und Textilherstellung angewendet.

Pfropf-Copolymerisate sind verzweigte Makromoleküle aus Stärke und synthetischen Polymeren, wie das Stärkepolyacrylnitril. Es ist unter dem Namen "Super Slurper" im Handel, was soviel heißt wie "Super-Säufer". Die granulierte Substanz kann 0,8 l Wasser/g binden. Sie eignet sich daher besonders für die Herstellung von Windeln und zur Beseitigung von Wasserschäden an Gebäuden.

Stärkezucker entstehen durch Säure- oder enzymatischen Abbau der Stärke. Hier kommt vor allem die Hochtemperatur beständige Alpha-Amylase aus Bacillus subtilis zum Einsatz, wenn das Produktionsziel Dextrine heißt. Nach fast vollständigem Abbau der Stärke gelangt man zu einem Stärkezucker mit der Zusammensetzung: 60-75 % Glucose, 7-15 % Dextrine und 15-18 % Wasser. In chemisch reiner Form wird Kartoffelstärkezucker z.B. unter dem Namen "Dextropur" gehandelt.

Zur Herstellung von fructosehaltigem Glucose-Sirup ("Isoglucose") verwendet man zunächst das Enzym Amyloglucosidase und erzeugt aus dem entstandenen Glucose-Sirup mit Glucose-Isomerase die erwünschte Mischung aus 45 % Fructose und 55 % Glucose. Diese Isoglucose hat die gleiche Süßkraft wie Rohr- und Rübenzucker (Saccharose = chemische Verbindung aus Fructose und Glucose), da sie aber im Gegensatz zum Rübenzucker in flüssiger Form vorliegt, erspart man sich z.B. bei der Limonadenherstellung die Auflösung der Zuckerkristalle.



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