Kartoffelgeschichte und -Geschichten

52. Wie wurden auf einem großen Gut Kartoffeln geerntet?

Das erzählt Modeste Weidendahl in ihren "Erinnerungen an Westpreußen" auf dem Gut Bendomin ihrem Sohn Andreas: 
"Ein großes Ereignis war für mich jedesmal die Kartoffelernte, die damals [um 1920] noch ganz ohne Maschinen bewältigt wurde. Ja, mein Sohn Andreas, wenn ich zaubern könnte, würde ich dir einen solchen Hof schenken, selbst wenn er halb so groß wäre wie Bendomin; und du würdest über die Felder gehen, hättest eigene Erde unter den Füßen und könntest verwirklichen, wovon du träumst.
Zwanzig bis dreißig, ja manchmal bis zu sechzig Leute zogen auf das Feld; jeder hatte eine Hacke und vier Körbe, runde, gepflochtene Weidenkörbe, fünfundzwanzig Pfund Kartoffeln mochten in einen Korb hineingehen. Der Hofmeister Pallasz und dazu ein Mann mit einem Fuder Stroh, einem Spaten, einer Forke und der Zigarrenkiste mit den Pachimen [Papiermarken] - das war alles, was gebraucht wurde. Die Leute knieten in den Furchen, jeder hatte eine Schürze aus einem alten Sack vorgebunden, und so rutschte man den ganzen lieben langen Tag auf den Knieen über das Feld, hackte mit einer viergezackten, kurzen Hacke die Staude aus, griff das Kraut, schüttelte die daran zum Teil noch festgewachsenen Knollen ab, sammelte alles geschwind in den Korb, hackte einmal rechts, einmal links, rutschte weiter, zerriß die zarten Fäden des Altweibersommers, die sich wie winzige Perlenketten mit ihren schimmernden Tautropfen von Staude zu Staude zogen, rutschte unter Nebel und Sonne, eingehüllt in den Duft der aufgewühlten Erde und den Geruch des absterbenden Krautes. Wa-ren die vier Körbe voll, griff man zu einer Trage, trug und schüttete die Knollen auf die Miete.
Ein Mann hatte eine flache, ungefähr ein Meter zwanzig breite Rinne mit einem Spaten tief in die Erde gegraben, etwas Stroh hineingeworfen, das war das Lager für die Kartoffeln, dort wurden sie aufgeschüttet zu hohen Mieten, mit Stroh und Erde bedeckt und, kurz bevor der erste Frost einsetzte, nochmals mit einer Schicht Stroh und Erde gegen das Erfrieren gesichert.
Für je vier Körbe gab es eine Pachime, eine Papiermarke - woher der Ausdruck stammt, weiß ich nicht. Für jede Pachime wurde am Abend Bargeld ausgezahlt, der Preis schwankte zwischen acht bis fünfzehn Groszy, er kann auch noch darunter gelegen haben. Ein Groszy war damals ein halber Pfennig deutschen Geldes.
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