Kartoffelgeschichte und -Geschichten

51. Was sind die "Kartoffelferien"?

Stadtkinder bekamen im Herbst richtige Ferien. Landkinder bekamen nur Kartoffelferien. Das waren eigentlich gar keine Ferien. Die Kinder bekamen schulfrei, weil sie mit den Frauen bei der Kartoffelernte helfen mussten.

Frühmorgens gingen alle miteinander aufs Feld. Die Frauen und die größeren Kinder bekamen einen Kratzer und einen Korb. Auf Knien rutschten sie die Furchen entlang. Sie warfen das gelbe Kartoffelkraut beiseite. Mit dem Kratzer hackten sie die Kartoffeln aus der Erde. Die kleineren Kinder halfen ihnen, die Kartoffeln in den Korb zu sammeln. Wenn der Korb voll war, wurde er in Säcke geleert, die in einer langen Reihe mitten auf dem Feld standen. Die vollen Säcke schleppte der Bauer zu dem Kastenwagen, der am Wegrand stand. Wenn der Kastenwagen beladen war, rumpelte der Bauer damit fort. Dann reckten und streckten sich die Frauen. Die Kinder rannten über das Feld und spielten Fangen. Sobald der Bauer mit dem leeren Wagen wieder auftauchte, hackten und sammelten sie emsig weiter.

Gegen Mittag kam die Bäuerin. Sie brachte Schneckengebäck und Malzkaffee. Alle hockten auf leeren Säcken und schmausten. Die Jungen trugen das Kartoffelkraut zusammen und zündeten es an. Die Wärme tat gut. Später wurden Kartoffeln in die Glut geworfen. Sie schmeckten herrlich, wenn sie gar waren.

Frauen und Kinder waren Tag für Tag auf dem Feld. Am Morgen war manchmal alles voller Rauhreif. Dann zwickte die Kälte in den Fingern. Wenn es regnete, drang die Nässe durch die Kleider. Dann wären die Kinder lieber in die Schule gegangen. Doch die Ferien waren erst vorbei, wenn alle Kartoffelfelder leer geerntet waren.

Zuletzt wurde abgerechnet. Alle bekamen Winterkartoffeln und dazu ihren Lohn, die Kinder ebenso wie die Großen. Darauf waren sie sehr stolz. Am Abend rechnete Mutter zusammen, was alle verdient hatten. Sie sagte befriedigt: 
"Nun können wir schlachten, denn das Geld reicht für ein neues Ferkel!"

Margret Rettich



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