Kartoffelgeschichte und -Geschichten

47. Wie lebten die Menschen im Biedermeier (in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts) von der Kartoffel?

Der Zeitgenosse Adolph von Schaden berichtet, dass mancher Geheimsekretär mit einem Jahresgehalt von 600 bis 800 Talern an die 150 Taler für die Miete aufbringen musste, 100 Taler für den Hausdiener (ein Statussymbol, dem heute das Auto entspricht), während der Rest für den Möbel- und Kleiderbedarf ausreichen musste. So blieb nicht mehr viel Geld übrig für das tägliche Brot! Wörtlich schreibt er: 
"Dieselben Leute, welche so herrlich wohnen und so kostbar sich kleiden, trinken in der Früh ungemein dünnen Zichorienkaffee, essen mittags einen wie den andern Tag bloß Kartoffeln und begnügen sich abends mit einem dünnen Butterschnittchen ... ."

Ein einfacher Postbeamter erhielt damals nach zehn Dienstjahren ein Jahreseinkommen von nur 350 Talern, wobei er eine Dienstzeit von täglich elfeinhalb Stunden abzuleisten hatte; ein Schulmeister musste sogar mit 100 bis 200 Talern jährlich auskommen. Der Dichter Jeremias Gotthelf (1797-1854) schildert in seiner Erzählung "Leiden und Freuden eines Schulmeisters" vor allem die Leiden mit den Worten:
"Er hat kein Brot im Schrank, ißt nur Kartoffeln und hat keine Kleider für seine frierenden Kinder."

Auch der "Dichter der kleinen Leute", J e a n P a u l Friedrich Richter (1763-1825), lebte von Kartoffeln:
"Plötzlich, wenn er schreibt, fällt ihm ein, dass er essen muss; dann verlangt er schnell nach seinem Lieblingsgericht. Und was ist das? Denken Sie sich - Kartoffeln! Wir kochen sie ihm schnell - wir wissen es ja. Ich bringe sie ihm, er sieht, wie ich sie hinstelle, er starrt mit der Feder in der Hand daraufhin, sehen Sie, und wenn ich nach ein paar Stunden wiederkomme, stehen sie noch unberührt neben ihm. Nun will er essen, aber es ist kalt, das kann ich nicht zugeben, und ich koche ihm von neuem."
So beschreibt Willibald Alexis (Wilhelm Häring, 1798-1871) das Mittagsmahl von Jean Paul, das ihm seine Wirtin, Frau Rollwenzel, in seiner Einsiedelei zweimal servieren muss.



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