Kartoffelgeschichte und -Geschichten

13. Warum wurde der Kartoffelbau im 18. und 19. Jahrhundert staatlich gefördert?

Friedrich Wilhelm I. von Preußen (1713-40) und sein Sohn Friedrich der II., der Große (1740-86), der "Alte Fritz", versuchten, durch vielerlei Maßnahmen die Landeskultur zu fördern. Auch Josef II. (1741-90), Sohn Maria Theresias und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und der bayerische Kurfüst Karl Theodor (1777-99) betätigten sich als Förderer der Landwirtschaft. Der von Friedrich dem Großen stammende Satz: "Die Landwirtschaft ist die erste aller Künste; ohne sie gäbe es keine Kaufleute, keine Dichter und Philosophen. Nur das ist wahrer Reichtum, was die Erde hervorbringt", war ihre gemeinsame Überzeugung.

Dementsprechend bemühten sich diese "physiokratisch" eingestellten Herrscher durch Neulandgewinnung auf Moorflächen und Ansiedlung von Bauern (im Warthe- und Oderbruch Hugenotten, in Donaumoos Pfälzer) das wirtschaftliche Wohlergehen ihrer Länder zu fördern. Aber auch durch die Einführung neuer Nutztierrassen und Kulturpflanzen, wie des Maulbeerbaums für die Seidenraupenzucht, von Tabak, Zuckerahorn, Zuckerrübe, Mais und Kartoffel sollte die Lebensgrundlage der adeligen Grundherren und der leibeigenen Bauern verbessert werden. Die Motive für die außerordentlichen preußischen Anstrengungen zur Einführung des Kartoffelbaus ergaben sich aus der politisch-militärischen Entwicklung nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-63). Im kriegszerstörten Schlesien standen die meisten der 3200 Rittergüter vor dem Bankrott. Ihren umfangreichen technischen Nebenbetrieben mussten schnell neue Rohstoffe zur Verarbeitung in marktfähige Produkte zugeführt werden. Die abgabenpflichtigen Bauern mussten die Möglichkeit erhalten, durch Produktionssteigerung ihre Abgabenpflicht zu erfüllen, ohne selbst hungern zu müssen. Vor diesem Hintergrund ist der massive staatliche Druck zur Einführung der Kartoffel als Kulturpflanze, aber auch die Einführung anderer neuer Kultur- und Rohstoffpflanzen zu sehen. Auf den großen preußischen Staatsgütern hinterließ die staatliche Anbauförderung kaum Spuren.

1806, 20 Jahre nach dem Tod des "Alten Fritz", bauten nur 8 der 37 preußischen Staatsgüter in Schlesien Kartoffeln an. Ein berühmtes Gemälde findet sich in vielen Geschichtsbüchern: Der preußische König, vom Alter gebeugt, hat seine Kutsche verlassen, um die Kartoffelernte zu prüfen. Ein Bauer hält dem König ehrerbietig eine Handvoll Kartoffeln hin. Historisch belegt ist diese Szene nicht, zumal da das Bild erst mehr als hundert Jahre nach dem "Kartoffelbefehl" des großen Preußenkönigs von Robert Warthmüller 1866 gemalt wurde. Den "Alten Fritz" mit der Knollennase, gestützt auf seinen Krückstock bei der Inspektion der Kartoffelernte, malte der aus Ghana stammende Künstler Sephas Bansah 1993 im Auftrag des Deutschen Kartoffelmuseums. Beide Bilder verdeutlichen eindringlicher als viele Worte die Bemühungen Friedrichs des Großen um den Kartoffelbau.

Auch durch Gratisverteilungen von Saatkartoffeln waren die preußischen Bauern kaum zum Anbau von Kartoffeln zu bewegen. So überliefert uns Joachim Nettelbeck in seiner Lebensbeschreibung die folgende Begebenheit aus dem Jahr 1744:
"Eines Tages kam ein Wagen Kartoffeln nach Kolberg. Durch Trommelschlag wurden dort alle Landbesitzer zum Rathaus gerufen, um ein Geschenk des Königs entgegen zu nehmen. Dieses mit Neugierde erwartete Geschenk war eine Metze (3,4 l) Kartoffeln. Zugleich wurde eine genaue Anleitung über den Anbau der Kartoffeln verlesen. Die Bauern nahmen das Geschenk jedoch etwas enttäuscht entgegen. Einer bot die Frucht dem andern an. Mancher brach sie auseinander und warf sie den Hunden vor. Bei einer strengen Kartoffelschau im Sommer durch den Ratsdiener und Feldwächter wurde jeder mit einer Geldbuße belegt, der in seinem Garten keine Kartoffelstauden vorweisen konnte. Im nächsten Jahr erhielten die Kolberger wieder eine Ladung Saatkartoffeln. Diesmal schickte die königliche Kammer aber einen Schwaben mit, der des Kartoffelbaus kundig und den Leuten bei der Auspflanzung behilflich war und auch die weitere Pflege der Kartoffeln besorgte."

Dennoch dauerte es noch volle 40 Jahre, bis die Kartoffel um 1785 ihren Weg aus den Gärten in das freie Feld fand. In Österreich war das nicht anders. Staatlich gefördert ist der Kartoffelbau um 1740 in Pyhrabruck im Waldviertel (NÖ.) nachweisbar. Doch dauerte es auch hier bis weit nach der großen Hungersnot von 1772/73, bis die Kartoffel allgemein als Nahrungsmittel anerkannt war.



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