Kartoffelgeschichte und -Geschichten

11. Wie wurde die Kartoffel in Deutschland zum Volksnahrungsmittel?

In der Markgrafschaft Bayreuth lässt sich der feldmäßige Anbau der Kartoffel in Deutschland bereits um 1647 nachweisen. Die Deutsche Post AG gab aus diesem Anlass am 17.09.1997 eine Sonderbriefmarke "350 Jahre Kartoffelanbau in Deutschland" heraus. Die 300-Pfennig-Marke zum Frankieren von Großbriefen wurde 20 Millionen Mal gedruckt.

Der Bauer Hans Rogler hatte gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges die "Erdäpfel" als Grenzgänger im böhmischen Roßbach von einem Soldaten aus der niederländischen Provinz Brabant erhalten und mit in sein Heimatdorf Pilgramsreuth gebracht, heute ein Ortsteil der oberfränkischen Stadt Rehau (s. Kap. 9, Frage 156). 1697 wurden hier auf einer Fläche von zehn Tagwerk 640 Kartoffelbeete angelegt, die einen Ertrag von 10 Tonnen (50 dt/ha) brachten.

Von Pilgramsreuth gelangte die Kartoffel in das Vogtland, in die Oberpfalz und in den Frankenwald, ab 1715 ins Bayreuther und Kulmbacher Gebiet, über dynastische Verbindungen auch nach Preußen, denn die fränkischen Markgrafen, der Ansbacher und der Bayreuther, waren die Vettern der preußischen Kurfürsten in Berlin aus dem Hause Hohenzollern.

In Württemberg und der Rheinpfalz führten um 1710 die Waldenser die Kartoffel ein, eine asketisch lebende Laiengemeinschaft von Männern und Frauen, die Jesus und seinen Jüngern in Armut und Wanderpredigt nachfolgen wollten. Die nach Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes ausgewiesenen französischen Waldenser wanderten 1699 in großer Zahl in Südwestdeutschland ein. 1820 schlossen sie sich den evangelischen Landeskirchen an.

In Westfalen und dem Fürstentum Lippe waren es arme Kleinbauern, die als Ziegler und Grasmäher nach Holland gingen, um ihr Einkommen aufzubessern und Handwerker, die die Kartoffeln auf ihrer Wanderschaft in Holland kennengelernt hatten. 1705 brachte ein Ziegler aus dem Dorf Tintrup bei Blomberg in Ost-Westfalen die ersten Kartoffeln aus Holland mit, die daher in Westfalen noch lange "Hollandeier" genannt wurden. Im Amt Petershagen "importierte" ein Schneider 1740, dem Jahr der langen Kälte, des Hungerns und des Sterbens, die Kartoffel, wie es in einer "Umfrage über die Landwirtschaft" heißt, die der Freiherr vom Stein 1801 in Ostwestfalen durchgeführt hat.

Zum Durchbruch in Deutschland verhalfen der Kartoffel erst Kriege, Teuerungen und Hungersnöte, (s. Frage 14) weniger staatliche Erlasse von Verordnungen zum Kartoffelbau, wie in Preußen (s. Fragen 13 und 36), militärische Bewachung von Kartoffel-Versuchsäckern wie in Bayern oder die Androhung von Prügelstrafen gegen serbische und kroatische Bauern, die den Kartoffelanbau auf ihren Feldern verweigerten.



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