Kartoffelgeschichte und -Geschichten

3. Welche kultische Bedeutung hatte die Kartoffel im alten Inkareich?

Die Inka schrieben das gute Gedeihen ihrer kleinen schwarzen und birnenförmigen Kartoffeln, die sogar noch in den Hochlagen der Anden auf über 1000 m Höhe wuchsen, einem guten Geist zu, der Kartoffelmutter Axo-mama (<../kunst.htm">s. Kap. 9, Fragen 126, 161 und 162). Wunderlich geformte Knollen wurden wie kleine Puppen angezogen und dienten als Papa-konopa dem Wahrsagen.

Die Einbringung der Ernte und die Einlagerung der gefriergetrockneten Kartoffeln (chunos) werden auch heute noch mit extatischen religiösen Feiern begangen, bei denen der Maisschnaps (chicha) in Strömen fließt und die in ihrer Wildheit und Lautstärke nichts mit unseren Erntedankfeiern gemeinsam haben. Nach der spanischen Eroberung mischten sich alte indianische Praktiken mit Elementen der katholischen Hl. Messe. Der US-Amerikaner Ephraim G. Squier beschreibt Ende des 19. Jahrhunderts eine solche fiesta de chuno bei den Aymara-Indianern am Titicaca-See: "Die ganze Nacht und den folgenden Tag dauerte das Fest an, wurde immer wilder und lauter und erreichte erst seinen Höhepunkt, als die kirchliche Zeremonie begann. Es war ein außergewöhnliches Schauspiel, als die heiligen Zeichen der Kirche und die Statuen unseres Erlösers und der Heiligen von einem taumelnden Priester und schwankenden Indianern durch die Straßen von Tiahuanaco getragen wurden, während die Tänzer und Musikanten um sie herumsprangen. In der Kirche mischte sich in den Gesang der schrille Klang der Flöten, während Glocken tönten, und der schmutzige Rauch erbärmlicher Kerzen zusammen mit dem Geruch abgebrannten Schießpulvers verdunkelte und vergiftete die Atmosphäre. Vor dem dunklen Altar, wo die Hostie von den zitternden Händen des betrunkenen Priesters emporgehalten wurde, erreichten die 'Saturnalien' ihren Höhepunkt."

In fröhlichen Familienfesten und Tänzen drücken heute die Nachfahren der Inka in Peru ihre Freude über die Geburt Jesu aus. Alle, auch die Kinder, gehen am heiligen Abend in die Kirche. In den entlegenen Andendörfern machen sich die Familien schon abends auf den Weg, damit sie zur Mitternacht in den oft weit entfernten Kirchen ankommen. Als Gaben für das Jesuskind nehmen sie Kartoffeln mit und verbinden damit die Bitte für eine gute Ernte. Das Beschenken der Kinder mit Spielzeug ist in den Anden unbekannt.



zurück - Seitenbeginn - home