Die Kartoffel auf dem Acker:
BOTANIK

2. Welche verschiedenen Kartoffelarten gibt es?

Unsere Kartoffelsorten haben wahrscheinlich ihren Ursprung in der um 1565 nach Spanien eingeführten peruanischen Kartoffelart Solanum tuberosum ssp. andigena, die später mit der aus Südchile stammenden Art Solanum tuberosum ssp. tuberosum gekreuzt worden ist (s. Kap. 1, Frage 8). Von ssp. andigena stammen die Sorten der "Alten Kontinental-Europäischen Gruppe" ab, wie Paulsens Erste von Nassengrund, Zwiebel und Richters Zwickauer Frühe (s. Frage 24). Grundlage dieser Sorten waren die namenlosen europäischen Landsorten, die von Bauern über zwei Jahrhunderte hin auf kurze Stolonen selektiert worden waren. Die auf den Schiffen Drakes 1586 eingeführten Kartoffeln gehörten ebenfalls zur Unterart andigena. Aus ihnen entstanden die Sorten der "Alten Englisch-Nordamerikanischen Gruppe", wie Western Red, Patersons Victoria, Blue Don und Imperator. Aus einer weiteren andigena-Einfuhr entstand 1830 die Sorte Alte Daber, die sehr stärkereich war. Sie ist die Stammform vieler Stärkesorten, wie Industrie, Professor Wohltmann, Präsident Krüger und zahlreicher US-Sorten wie Russet Burbank. Erst ab 1849 wurde die Unterart tuberosum systematisch in der europäischen Kartoffelzüchtung eingesetzt. Auf die chilenische Sorte Rough Purple Chili der ssp. tuberosum gehen viele europäische Frühkartoffelsorten zurück (s. Kap. 1, Frage 10).

Da beide Unterarten miteinander kreuzbar sind, kreuzt man heute zur Erhöhung der Variabilität wieder andine Herkünfte der ssp. andigena in die bestehenden Kartoffelsorten ein, um weitere, interessante Anbau-, Resistenz- und Verwertungseigenschaften selektieren zu können. Die Kreuzungsprodukte stellt man botanisch in die Sektion Neo-Tuberosum.

Neben diesen beiden Kulturarten findet man nur in den Anden genutzte sechs weitere Kulturarten, wie Solanum phureja in Bolivien oder die frostresistente S. ajanhuiri am Titicacasee. Außerdem gibt es in ganz Süd- und Mittelamerika noch über 230 Wildkartoffelarten, die eine zunehmende Bedeutung in der Resistenzzüchtung gegen Krankheiten und Schädlinge erlangt haben, wie die Andenwildkartoffel S. berthaultii, deren Blätter Klebhaare tragen, so dass sich Blattläuse auf ihr nicht vermehren können. 80 % der deutschen Kartoffelsorten besitzen Resistenzgene aus Wildkartoffelarten.

Durch die zahlreichen im Andenraum wachsenden Wildkartoffelarten haben sich durch spontane Verkreuzung die autotetraploiden Arten, wie andigena entwickelt, deren Knollen vom Menschen wegen ihrer Größe und Nahrhaftigkeit weiter selektiert und kultiviert wurden. Man weiß allerdings nicht, aus w e l c h e n Wildarten unsere Kulturkartoffeln hervorgegangen sind, möglicherweise aus einer spontanen Kreuzung der diploiden Wildkartoffeln Solanum vernei und S. stenotomum. Da auf den Kartoffeläckern der Anden zwischen den Kulturkartoffeln zahlreiche Wildkartoffelarten wachsen, kommt es auch heute noch zu einer fortlaufenden "Introgression" der Wildgene in Kultursorten, deren Erbfaktoren sich so dauernd verändern. Man kann die starke Heterozygotie von Solanum tuberosum (s. Kapitel 4) auf Spontankreuzungen zwischen zwei diploiden Arten zurückführen. Die tetraploide Solanum tuberosum kann sich zwar auch mit diploiden Arten kreuzen, doch entstehen daraus sterile triploide Formen, die sich nur noch über Knollen vermehren können. Die Entstehung der Kulturkartoffel ist aber wesentlich komplexer, als hier dargestellt werden kann.

Kartoffelarten

Herkunft

Chromo-
somen

Eigenschaften

Kulturarten:
Solanum tuberosum ssp. andigena Peru, Bolivien 4n = 48
(tetraploid)
sehr formenreiche Kurztagspflanze, vielstengelig mit langen Stolonen, kleinblättrig mit kleinen unregelmäßig geformten, weißfleischigen, rot- und gelbschaligen Knollen mit hohem Solaninningehalt, spät reifend mit niedrigem Ertrag, 3 % Eiweiß, nematodenresistent.
Solanum tuberosum spp. tuberosum Südchile 4n = 48 Langtagspflanze mit wenig Seitentrieben, verkürzten Stolonen, größeren Knollen und Blättern als ssp. andigena, früh reifend mit hohem Ertrag, 2 % Eiweiß, z.T. resistent gegen Kartoffelkrebs und Blattrollvirus.

Wildarten:

Solanum demissum Mexiko

6n = 72
(hexaploid)

ertragreiche Art mit hohem Stärke- und Eiweißgehalt, resistent gegen Kraut- und Knollenfäule, Blattrollvirus, Krebs, Nemato- den, Käfer, Frost.
Solanum acaule Argentinien bis Peru

4n = 48

resistent gegen X- und Blattrollvirus, Krebs,  Frost.
Solanum stoloniferum Mexiko

4n = 48

hoher Stärkegehalt, resistent gegen A- und Y-Virus, Schleimfäule, Kraut- und Knollenfäule.
Solanum chacoense Südamerika

2n = 24

resistent gegen A- und Y-Virus, Schleimfäule, (diploid) Schwarzbeinigkeit, Schorf, Kartoffelkäfer.
Solanum vernei Argentinien

2n = 24

hoher Stärke- und Eiweißgehalt, resistent gegen Kraut- und Knollenfäule, Nematoden.



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