Kartoffelzucht und ihr Beitrag zum Pflanzenschutz

Zu diesem Thema veröffentlichte Nika Rack in den BATS TA-Heften den folgenden Artikel über die Kartoffelsorten in der Schweiz:

Die Kartoffel: Ihre Krankheiten und Schädlinge

Kartoffelkrankheiten:
Die meisten der in der Schweiz zugelassenen Kartoffelsorten sind gegen mindestens eine der drei wichtigsten Virosen (PLRV, PVY, PVX) stark bis mittel anfällig (Winiger 1995). Daneben gibt es Kartoffelsorten mit einer guten natürlichen Resistenz. Das Einkreuzen von Resistenzen in die Kartoffel ist jedoch äußert aufwendig, da bei der Kartoffelzucht eine Vielzahl wichtiger Qualitätsmerkmale zugleich beachtet werden muss. Heute ist es möglich, mittels Transformation direkt einzelne Resistenzgene gegen die drei Virosen in Kartoffeln einzubauen. Die wirksamsten dieser Resistenzgene gegen Viruskrankheiten wurden aus den Viren selbst isoliert. Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung bei Kartoffelpflanzen, welche durch Expression von 'Coatprotein' gegen PVX und PVY resistent sind. In den USA wurden bereits etliche Freilandversuche durchgeführt, und auch in der Schweiz wurden in kleinen Parzellen in Changins zwei Freilandversuche vorgenommen, bei welchen der Schutz der Pflanzen im Feld nachgewiesen wurde (Collet et al. 1993).

Die möglichen Schäden durch die Virosen können beträchtlich sein. Daher werden heute verschiedene Maßnahmen dagegen ergriffen. Eine indirekte Bekämpfungsmethode, welche eine Ausbreitung der Viren v.a. durch Blattläuse verringert, besteht im Abtöten des Kartoffelkrautes bei Beginn des Blattlausflugs. Da diese Maßnahme aber auch zur Ernteerleichterung und zur Verminderung der Gefahr von Krautfäule-Infektionen durchgeführt wird (Putz 1986), ist ein Verzicht darauf nicht möglich. Sie könnte jedoch zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Weiter wird die Ausbreitung der Viren in der Schweiz durch stichprobenartige ELISA-Tests im Labor und durch einen Nachbau eines Teils der Saatkartoffeln im Feld begrenzt. Wären diese Maßnahmen nicht mehr nötig, würde dies zu einer Vereinfachung der Saatgutproduktion führen. Eine wirkliche Einsparung von Arbeitsschritten kommt aber erst dann zustande, wenn durch Resistenzen ein sicherer Schutz vor allen wichtigen Virosen gewährleistet werden kann. Auf die ELISA-Tests und den Nachbau zwecks Virusnachweis könnte bei virusresistenten Kartoffeln verzichtet werden, nicht jedoch auf die visuellen Kontrollen des Saatguts, welche vor allem den Pilzkrankheiten gelten. Sollte in der Folge das Virusproblem als gelöst angesehen werden, könnte die Tendenz bestehen, das Abtöten des Krautes nicht mehr vom Blattlausflug, sondern vom Erntezeitpunkt abhängig zu machen. Dies würde zu vermehrter Mobilität der Blattläuse führen. Damit besteht die Gefahr, dass sich durch diese Vektoren Viren ausbreiten können, welche bisher weniger wichtig waren und gegen welche aus diesem Grund auch keine Resistenz eingebaut wurde (pers. Mitt. U. Merz 1995). Dieses Unterdrücken von Nebenkrankheiten durch eine Maßnahme gegen eine Hauptkrankheit ist ein Phänomen, welches schon in verschiedenen Fällen beobachtet werden konnte. Dadurch können Erfolge im Einbau oder auch Einkreuzen von Resistenzen zumindest zu einem Teil wieder relativiert werden. Sollten die Kontrollen bei transgenen Kartoffeln völlig oder teilweise wegfallen, müsste sichergestellt werden, dass dennoch zertifiziertes Saatgut zu den ursprünglichen Preisen für (Bio)Bauern, welche keine transgenen Kartoffeln anbauen wollen, zur Verfügung steht.

Als wichtigste Krankheit der Kartoffel in der Schweiz gilt der Oomycet Phytophthora infestans, der Erreger der Kraut- und Knollenfäule. Die in der Schweiz zugelassenen Sorten weisen starke Unterschiede bezüglich ihrer Resistenz auf. Ausgerechnet die Sorte Bintje, welche in der Schweiz mit 23,8% Flächenanteil am weitaus häufigsten angebaut wird, ist gegen die meisten Krankheiten, so auch gegen P. infestans sehr anfällig (Winiger 1995). Die wichtigste Bekämpfungsmethode ist der Einsatz von Fungiziden. Aus Mexiko und den Anden kommen zahlreiche Wildarten, welche eine hohe unspezifische, polygene Resistenz aufweisen (Van Soest et al. 1984). Worauf diese Resistenz beruht, ist nicht bekannt. Auch sind verschiedene Kultivare bekannt, welche keine spezifischen Resistenzen (R-Gene) besitzen, aber dennoch eine gute bis sehr gute Feldresistenz (unspezifisch) gegen die Kraut- und Knollenfäule aufweisen. Da die Gene dieser Feldresistenz (r-Gene) weder identifiziert, noch charakterisiert sind, ist ein gentechnischer Transfer nicht möglich. Es wurden bisher 11 verschiedene R-Gene identifiziert, wobei wahrscheinlich noch weitere existieren. Diese Gene wurden in verschiedene Sorten eingekreuzt, das Pathogen konnte jedoch innert kurzer Zeit Virulenzen entwickeln. Da es sich bei diesen Genen um Einzelgene handelt, wäre es von der vorhandenen Technik und vom Zeitaufwand her gesehen denkbar, diese zu isolieren und in verschiedene Kartoffelsorten einzubauen. Da aber in Mexiko Rassen des Pathogen mit allen 11 Virulenzfaktoren und auch in Europa Rassen mit 9 Virulenzen gefunden werden, scheint eine Pyramidisierung keine Aussicht auf eine dauerhafte Resistenz zu bringen, selbst wenn alle bisher bekannten Gene in eine Sorte eingebaut würden (Turkensteen 1993). Der Einbau neuer R-Gene aus anderen Arten wie z.B. Solanum muricatum mittels Genmanipulation in neue Sorten könnte zu grösserer Dauerhaftigkeit führen, wenn das R-Gen durch ein hohes Niveau einer quantitativen Resistenz abgesichert wird. Eine mögliche Virulenz könnte sich erstens nur langsam und zweitens nur mit wenig verursachtem Schaden etablieren.

In Kapitel 6.4.2.3 wurden verschiedene Strategien vorgestellt, um mittels Gentechnologie Resistenz gegen Pilzkrankheiten zu erzeugen. Da die meisten Oomyceten kein Chitin, sondern Cellulose in der Zellwand enthalten, kommt ein Einsatz von Chitinasen bereits nicht in Frage. Eine Reduktion des Befalls durch P. infestans wurde im Labor durch ein zytotoxisch wirkendes Barnase-Gen erreicht, welches durch den Pilz-induzierten Promotor prp 1-1 reguliert wurde (Strittmatter et al. 1995). Über Erfolge in Feldversuchen ist hingegen nichts bekannt. Zudem hat seit dem Auftreten des Paarungs-Typs A2 in Europa die Variabilität von P. infestans stark zugenommen (Drenth et al. 1994). Es darf daher zumindest angezweifelt werden, ob ein einziger Resistenzmechanismus lange Bestand hätte. Die aus phytopathologischer Sicht zur Zeit wohl sinnvollste, weil einfachste Lösung, wäre der Anbau verschiedener der heute schon resistenten Sorten, anstelle der hoch anfälligen Bintje-Kartoffel.

Rhizoctonia solani, der Erreger der Kartoffelpocken, bildet zur Überwinterung Sklerotien, welche bis zu vier Jahre im Boden keimungsfähig bleiben. Schäden können durch Fruchtfolgemassnahmen, aber auch durch standortgerechten Anbau vermieden werden. Intensivere Fruchtfolgen machen weitere Maßnahmen notwendig. Da keine resistenten Sorten vorliegen, werden in der Schweiz ca. 20% der Saatgutkartoffeln gezielt gebeizt (Fried et al. 1993). Im Labor konnte ein Schutz vor R. solani bei Tabak und Raps durch den Einbau eines Chitinasegens und bei Tabak durch den Einbau eines RIP-Gens erreicht werden (siehe Kapitel 6.4.2.3). Erfolgreiche Feldversuche sind nicht bekannt. Angenommen, die erwähnten Gene führten unter Feldbedingungen auch in Kartoffeln zu einem Schutz, schiene auf diesem Weg eine Einsparung der Beizmittel möglich zu sein. Bei der RIP-Methode stellt sich aber die Frage nach möglichen toxischen Auswirkungen auf die Umwelt. Für den Einsatz von Chitinasen und -1-3-Glucanasen gilt es zudem, sowohl die kurz- als auch die langfristigen Auswirkungen auf andere Bodenpilze zu untersuchen. So konnte in einem Fall eine verlangsamte Besiedlung der Wurzeln durch Mykorrhiza nachgewiesen werden (Vierheilig et al. 1995).

Die Bekämpfung der Dürrfleckenkrankheit, verursacht durch Alternaria solani, erfolgt einerseits durch Verwendung gesunden Saatguts, andererseits durch Spritzungen gegen P. infestans. Sollte es gelingen, Kartoffeln mit einer Resistenz gegen die Kraut- und Knollenfäule zu züchten, sei es mittels konventioneller oder biotechnologischer Methoden, könnte zumindest ein Teil der Spritzungen wegen des Befalls durch Alternaria trotzdem weiterhin notwendig sein.

Schädlinge:
Die Möglichkeiten der Bekämpfung des Kartoffelkäfers (L. decemlineata) mittels Einbau eines B.t.-Toxins wurde in Kapitel 6.5 bereits erläutert. Auch auf die Gefahr einer Resistenzbildung und mögliche Folgen wurde hingewiesen. Neben dem Einsatz von B.t. gibt es Versuche, eine Insektenresistenz durch den Einbau von Proteinase-Inhibitoren zu erreichen (Marchetti et al. 1994). Weiter sind auch verschiedene natürliche Resistenzen gegen den Kartoffelkäfer und andere Insekten bekannt (z.B. Plaisted et al. 1992).

Nematoden (Globodera rostochiensis / G. pallida) können in Ländern mit sehr intensiver Kartoffelproduktion zu grossen Schäden führen. In der Schweiz spielen sie jedoch nur eine geringe Rolle. Das Saatgut ist strengen Kontrollen unterworfen, im Schadensfall wird ein mehrjähriges Anbauverbot verfügt. Bei den einzelnen Kartoffelsorten bestehen Unterschiede in der Anfälligkeit. Für den Einsatz von Pflanzen, welche durch den Einbau von z.B. B.t.-Genen mit einer nematiziden Wirkung (Feitelson et al. 1992) resistent sind, besteht in der Schweiz demzufolge kaum Bedarf.

Soweit Nika Rack über Zucht von Kartoffelsorten in der Schweiz.

Welche Wege die Gentechnik dem Kartoffelanbau ermöglicht zeigte Ellen Peerenboom in Zusammenarbeit mit Kurt Stüber und M. Kalda in dem Artikel, der 1996 vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in D-50829 Köln veröffentlicht wurde.
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