Die Kartoffelpflanze hat ihren Ursprung in Südamerika und nahm ihren Weg aus den steinigen Böden der Andenhochebenen in die Kochtöpfe unserer Zeit. Die ältesten Spuren einer Wildkartoffel wurden auf der Insel Chiloé (Región de los Lagos, Chile) gefunden. Ihr Alter wird auf 13.000 Jahre vor Chr. datiert.
Mit den Spaniern kam die Kartoffel nach Europa. 1533 eroberten sie das Inkareich. Erst am 31. Juli 1537 entdecken sie auf der Suche nach "El Dorado" diese einzigartige Frucht. 1565 wurde eine erste Kiste dieser Speisefrucht nach Europa gebracht und dem spanischen König Phillip II. überreicht. Er schenkte diese teilweise als giftig geltende Frucht dem kranken Papst Pius IV als Genesungsgeschenk ein Paket mit Kartoffeln. Später sollte die Kartoffel dazu beitragen, Europa aus den Hungersnöten zu erretten, und die Welt aus dem Mittelalter durch die Industrialisierung in die Neuzeit zu führen. Nie zuvor hatten die Landwirte Nahrung für so viele Menschen erzeugen können. Dadurch war für die Menschen Europas die Chance entstanden, sich auch anderen Arbeiten als nur dem Ackerbau widmen zu können.
1584 wurde die Kartoffel durch Sir Walter Raleigh in Irland
eingeführt.
1623 wurde sie dann aus Virginia nach England mitgebracht. Zuvor war bereits
zweimal der Versuch gescheitert, sie dort einzuführen. Ab 1684 wurden sie
dann aber in Lancashire im großen Stil angebaut.
1717 begann ihr großflächiger Anbau in Sachsen. 1728 war es dann
in Schottland so weit.
1738 wurde sie nach Preußen mitgebracht, und Friedrich der Große
verhalf ihr dann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Verordnungen
zum Durchbruch.
Seit 1783 begann der Kartoffelanbau auch in Frankreich.
Am
31. Juli 2007 berichtete WDR 2 aus Anlass des 470-sten Jahrestages der Entdeckung
der Kartoffel durch die Spanier in Zeitzeichen wie folgt über die Geschichte
dieser "Karriereknolle":
"1537 bahnt sich eine spanische Expedition unter Führung von Admiral
Gonzalo Jimirez de Queseda den Weg durch einen südamerikanischen Flusslauf.
Vier Jahre vorher haben die Spanier das Inka-Reich unterworfen. Jetzt sind sie
auf der Suche nach dem Eldorado. Aber der Hunger nach Gold weicht schon bald
realem Magenknurren. In verlassenen Dörfern machen sich die Konquistadoren
deshalb über die Vorräte der geflohenen Bevölkerung her. "In
allen Häusern der Indios lagerten Trüffeln" erinnert sich ein
Exeditionsteilnehmer. "Diese Trüffeln haben mehlige Wurzeln von der
Größe eines Eis, die von gutem Geschmack sind. Ein für die Indianer
sehr angenehmes Gut und ein köstliches Gericht sogar für die Spanier."
Das ist am 31. Juli 1537. Die Spanier haben das wahre Gold der Erde in Händen:
die Kartoffel.
Zu dieser Zeit existieren in Südamerika rund 200 verschiedene Kartoffelsorten,
die alle von der Ur-Kartoffel aus den Hochebenen der Anden abstammen. Unter
dem Schutz der Kartoffel-Göttin Axomama ernähren sie, durch Trocknen
jahrelang haltbar und bei Bedarf mit Wasser wieder essbar gemacht, die Inka
bis zu ihrer Ausrottung durch die Eroberer redlich.
1565 macht sich eine Kartoffelkiste auf den Weg zum spanischen König, der
sie dem Papst verehrt. Von nun an startet die nahrhafte Knolle ihren Siegeszug
in Europa und revolutioniert die Essgewohnheiten. Nur in Deutschland hat sie
es gegen das Grundnahrungsmittel Getreide schwer: Was der Bauer nicht kennt,
dass baut er dort nicht an. Die Kartoffel gilt als giftig und, da sie sich aus
sich selbst heraus vermehrt, als Teufelswerk. Nur als Zierpflanze schafft sie
es in die hochherrschaftlichen Gärten.
Das ändert sich erst im 18. Jahrhundert, als Friedrich der Große
Nahrung in Mengen für seine Soldaten benötigt. Zur Zeit der Industrialisierung
gibt die Knolle den Arbeitern Kraft. Und indirekt löst sie eine der größten
Auswanderungswellen der jüngeren Geschichte aus. Wegen eines Kartoffelschädlings
kommt es zwischen 1845 und 1849 zu Missernten und Hungersnöten in Irland.
Danach wandern über eine Million Iren nach Kanada, Australien und in die
USA aus.
Und sie schreibt, zumindest indirekt, im 19. Jahrhundert noch einmal Weltgeschichte:
Weil in Irland die gesamte Nahrungsmittelproduktion auf sie ausgerichtet ist,
führen mehrere durch einen Kartoffelschädling ausgelöste Missernten
zwischen 1845 und 1849 zu einer großen Hungersnot. danach wandern über
eine Million Iren nach Kanada, Australien und in die USA aus (WDR 2, Zeitzeichen
vom 31. Juli 2007)."
Ein
Podcast dieser Zeitzeichen-Sendung ist bei "Medien im WDR"
zu hören.
Was die Ausstellung der Universität GhKassel, Standort
Witzenhausen "Rin' in die
Kartoffel" zur Einführung der Kartoffel nach Europa und nach
Deutschland erzählte,
ist hier zu sehen.
Henry
Hobhouse (1992) steht mit seinem Buch "Fünf Pflanzen verändern
die Welt" zu der These, dass Kulturflanzen als der entscheidende Faktor
zum Wandel der Weltgeschichte zu betrachten sind.
Zu diesen Pflanzen zählt er:
Chinarinde:
Chinarinde war das Naturheilmittel, das half für Europäer größten
lebensbedrohende Übel seiner Zeit, die Malaria, zu bekämpfen
Zuckerrohr:
Zuckerrohr wurde der entscheidende Motor, um die "arbeitsameren"
afrikanischen Sklaven in die Anbaugebiete der "neuen Welt"
zu verschleppen.
Tee:
Tee war das bedeutendste Getränk der Neuzeit, und ein ganz zentrales
Handelsprodukt, für dessen Erwerb unter anderem der Niedergang seines
Ursprungslandes China beschleunigt wurde. Er war letztendlich der Auslöser
zum nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg.
Baumwolle:
Baumwolle war das Produkt, das den Menschen sich kleiden half, und sie trug
u.a. entscheidend zum US-amerikanischen Bürgerkrieg und zur Aufhebung
der Sklaverei bei.
Kartoffel:
Die Kartoffel, Solanum tuberosum, war ursprünglich in den Höhen
der südamerikanischen Anden zu Hause und hatte sich an karge Böden,
kurze Tage, niedrige Nachttemperaturen und ein relativ trockenes Klima gewöhnt.
Für nährstoffarme Böden war sie viel besser als das Getreide
geeignet und ihr Anbau war ohne den Einsatz von viel Werkzeug, notfalls nur
mit den Händen möglich. Mit den Hügelbeeten konnten sie fast
auf jedem beliebigen Standort angebaut werden, und wurden jeweils frisch für
den Verzehr geerntet. Erst durch die Ernährung mit der Kartoffel wurde
die Ernährung eines enormen Bevölkerungswachstum möglich. In
Irland z.B. verfünffachte sich die Bevölkerung zwischen 1801 und
1841 in nur 49 Jahren. Allerdings wurde im Jahr 1842 der Erreger für
Phytophthora infestans aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt.
Phytophthora infestans führte dann in den Jahren 1845 bis 1850
zur «Great Famine», die verschärft durch die englische Kolonial-
und Wirtschaftspolitik als größte Hungerkatastrophe Westeuropas
in der Neuzeit gilt. Diese Phytophthora-Epidemie vernichtete fast die gesamte
Kartoffelernte Irlands. Die extreme Abhängigkeit der Bevölkerung
von der Kartoffel hatte verheerende Auswirkungen. Neben der Großen Hungersnot
löste dies auch die Auswanderungswelle von Irland in die Vereinigten
Staaten aus.
Von Interesse mag auch sein, dass diese europaweite Ernährungskrise zu
Subsistenzunruhen als einer Form der
Klassenauseinandersetzung führte, und dass in diesem Zusammenhang auch
die Veröffentlichung des "Manifest der Kommunistischen Partei"
durch Karl Marx und Friedrich Engels im Dezember 1847/Januar 1848 in London
steht.
Weiterhin setzte die Kartoffel Arbeitskräfte in der Landwirtschaft frei,
was dann die Industrialisierung erst ermöglichte. Sie war die erste Anbaukultur,
die es dem Landwirt erlaubte mit seiner Produktion mehr als nur die eigene
Familie und eine relativ kleine Oberschicht und die städtischen Handwerker
zu versorgen. Die Kartoffel vollendete den Sprung der Gesellschaft in die
Neuzeit.
Siehe hierzu auch FOOD TODAY ©
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